Körperpsychotherapie Ratgeber -
Körpertherapie und Körperpsychotherapie: Was sind die Unterschiede ?
In diesem Artikel beleuchten wir die Begriffe Körpertherapie und Körperpsychotherapie. Obwohl man diese Begriffe theoretisch voneinander trennen kann, zeigt die Praxis, dass eine klare Abgrenzung oft schwierig ist. Jede Art der physischen Einwirkung auf den Körper hat unweigerlich Auswirkungen auf die Psyche. Ebenso beeinflussen psychische Erlebnisse das vegetative Nervensystem und damit den Körper.
Körpertherapie und Körperpsychotherapie: Eine Differenzierung
Die Körpertherapie konzentriert sich auf die Verbesserung der Funktionalität und Beweglichkeit des Körpers. Hierbei stehen Flexibilität, Dehnung und Bewegungsmöglichkeiten im Fokus. Ein Beispiel hierfür ist das Rolfing. Diese Form der strukturellen Körpertherapie zielt darauf ab, die Beweglichkeit des Körpers zu fördern und muskuläre Verspannungen zu lösen. Obwohl die Struktur des Körpers durch psychische Haltungen geprägt wird, liegt der Fokus auf Muskelansätzen, Sehnen und Bindegewebe.
Rolfing: Eine spezifische Methode der Körpertherapie
Rolfing, benannt nach Dr. Ida Rolf, ist eine Methode der Körpertherapie. Sie konzentriert sich auf die Neuausrichtung des Körpers entlang der Schwerkraftlinie. Durch gezielte Manipulation des Bindegewebes wird versucht, Fehlhaltungen zu korrigieren. Das Ziel ist, dauerhafte Veränderungen in der Körperstruktur zu erreichen. Rolfing umfasst typischerweise zehn Sitzungen, die verschiedene Körperbereiche bearbeiten. Ziel ist es, die Beweglichkeit zu verbessern und das Wohlbefinden zu fördern. Die tiefe Arbeit an den Faszien erhöht die Beweglichkeit und lindert chronische Schmerzen.
Alexander-Technik: Ein weiteres Beispiel der Körpertherapie
Die Alexander-Technik konzentriert sich auf die bewusste Wahrnehmung und Veränderung von Bewegungsmustern. Entwickelt von F. M. Alexander, zielt diese Technik darauf ab, ungünstige Haltungsmuster zu erkennen und zu korrigieren. Durch sanfte Bewegungen lernen die Klienten, effizientere Bewegungsgewohnheiten zu entwickeln. Dies verbessert die Körperhaltung und kann chronische Schmerzen lindern. Die Alexander-Technik betont die Bedeutung der Koordination von Kopf, Nacken und Wirbelsäule. Sie fördert eine entspannte, aufrechte Körperhaltung.
Feldenkrais-Methode: Ein tiefgehender Ansatz zur Körpertherapie
Die Feldenkrais-Methode, benannt nach Dr. Moshé Feldenkrais, basiert auf der Erkenntnis, dass Bewegung, Wahrnehmung und Denken eng verknüpft sind. Ziel ist es, durch bewusste Bewegung die Selbstwahrnehmung zu verbessern. Feldenkrais entwickelte zwei Hauptansätze: „Bewusstheit durch Bewegung“ und „Funktionale Integration“. „Bewusstheit durch Bewegung“ führt Teilnehmer durch sanfte Bewegungssequenzen, um neue Bewegungsmuster zu entwickeln. Diese Lektionen zielen darauf ab, Beweglichkeit und Koordination zu verbessern. Die „Funktionale Integration“ ist eine Einzelarbeit, bei der der Therapeut Bewegungsmuster untersucht. Er hilft dem Klienten, ineffiziente Gewohnheiten zu erkennen und zu verändern.
Ein zentrales Prinzip ist die Betonung der Neuroplastizität. Durch regelmäßiges Üben können neue Bewegungsoptionen entdeckt und verankert werden. Die Methode ist besonders wertvoll für Menschen mit chronischen Schmerzen oder Bewegungsbeeinträchtigungen. Sie wird auch im Bereich des Sports und der darstellenden Künste angewendet.
Körpertherapie: Praktische Anwendung
Körpertherapie-Sitzungen dauern typischerweise 45 bis 60 Minuten. Sie konzentrieren sich auf den physischen Aspekt des Menschseins. Verschiedene Ansätze kombinieren Bewegung, Muskeltraining und Atmung. Die Behandlung auf einer Liege kann hilfreich sein, jedoch hinderlich bei affektiven Schmerz- oder Gefühlsregungen. Die Angst vor dem Herunterfallen kann den unwillkürlichen Ausdruck der körperlichen Bewegung hemmen.
Körpertherapie: Bedeutung der Bewegung
Bei Einschränkungen der Form und Bewegungsfähigkeit des Körpers sind unwillkürliche Muskelzuckungen wichtig. Sie entspannen überspannte Bereiche und aktivieren unteraktive Bereiche. Daher arbeiten wir auf dem Boden. Die Klient:innen können sich in verschiedenen Positionen frei bewegen. Eine Grundposition ist das Aufstellen der Beine, um eine freie Beckenbewegung zu ermöglichen. Dies fördert die freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und vertieft die Atemaktivität.
Zielsetzung der Körpertherapie
Das Ziel ist es, die physische Funktion und Beweglichkeit des Körpers wiederherzustellen. Der Körper soll keine Schmerzen, sondern Freude und Wohlbefinden vermitteln. Ein aufrechter Gang fördert die freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und verhindert das Einklemmen von Nervenbahnen. Dies ist förderlich für die Gelenke des gesamten Körpers, um Arthrose oder Arthritis vorzubeugen. Die Behandlung von muskulären Verspannungen kann schmerzhaft sein. Durch die umfassende Arbeit an den physischen Strukturen zielt die Körpertherapie darauf ab, das Wohlbefinden zu steigern.
Körperpsychotherapie: Grundlagen und Prinzipien
Die Körperpsychotherapie konzentriert sich auf die Widersprüche und Konflikte innerhalb der Persönlichkeit. Es gibt einen Konflikt zwischen dem bewussten Ich und dem unterbewussten Ich. Das bewusste Ich umfasst alles, was wir bewusst wahrnehmen und steuern können. Das unbewusste Ich enthält verdrängte Persönlichkeitsanteile. Die Körperpsychotherapie zielt darauf ab, diese Anteile ins Bewusstsein zu bringen und zu integrieren.
Körperpsychotherapie: Therapeutische Methoden und Techniken
Ein zentraler Leitsatz lautet: „Der Körper lügt nicht.“ Körperliche Reaktionen sind authentisch und unverfälscht. Durch die unwillkürlichen Regungen des Körpers werden verdrängte Anteile sichtbar gemacht. Trauma und Trennung sind eng miteinander verbunden. Wenn das bewusste Ich gegen das unterbewusste Ich handelt, wiederholen sich traumatische Erlebnisse. Die Körperpsychotherapie arbeitet daran, diese Traumata zu überwinden. Verdrängte Gefühle werden ins Bewusstsein integriert. Dies ermöglicht die Weiterentwicklung der Persönlichkeitsanteile.
Körperpsychotherapie: Herausforderungen und Anforderungen an Therapeuten
Eine rein körpertherapeutische Herangehensweise reicht oft nicht aus. Der seelische Aspekt ist essentiell. Menschen mit Kindheitstraumata benötigen mehr als nur körperliche Therapie. Es ist entscheidend, die Negativhaltung sich selbst gegenüber zu überwinden. Eine positive Beziehung zur eigenen Aggression stärkt das Immunsystem. Gefühle von Trauer können den Brustkorb entlasten und die Lebensfreude steigern.
Körperpsychotherapie: Ganzheitlicher Ansatz und langfristige Wirkungen
Die körperpsychotherapeutische Methode ist komplexer zu erlernen. Die Therapeutin /der Therapeut muss sich mit den eigenen psychischen Themen auseinandersetzen. Ohne diese Auseinandersetzung kann die Angst vor den Themen der Klient:innen die Begleitung beeinträchtigen. Die Körperpsychotherapie bietet einen umfassenderen Ansatz als die reine Körpertherapie. Es ist jedoch wichtig, zunächst die Grundlagen der Körpertherapie zu verstehen.
Somatic Experiencing (SE) als Beispiel der Körperpsychotherapie
Somatic Experiencing (SE) ist eine körperorientierte Therapieform, die von dem Traumaforscher Peter A. Levine entwickelt wurde. Diese Methode basiert auf der Beobachtung, dass Tiere in der Wildnis selten an traumatischen Symptomen leiden, obwohl sie regelmäßig traumatischen Ereignissen ausgesetzt sind. Levine postulierte, dass Menschen ebenfalls die Fähigkeit besitzen, Traumata durch die Aktivierung und Entladung der im Körper gespeicherten Energie zu heilen.
Die Hauptprinzipien von SE beinhalten die direkte Arbeit mit den körperlichen Empfindungen und die schrittweise Entladung der im Nervensystem festgehaltenen traumatischen Energie. Im Gegensatz zu traditionellen Gesprächstherapien, die sich hauptsächlich auf die kognitive Verarbeitung von traumatischen Ereignissen konzentrieren, legt SE besonderen Wert auf die somatischen (körperlichen) Erfahrungen und die Wiederherstellung der natürlichen Selbstregulierungsfähigkeiten des Körpers.
Ein zentrales Konzept in der Somatic Experiencing ist der „bodily felt sense“ oder das körperlich gespürte Empfinden. Therapeutinnen unterstützen Klientinnen dabei, sich sicher und präsent zu fühlen, während sie sich schrittweise mit den körperlichen Empfindungen ihrer traumatischen Erfahrungen auseinandersetzen. Dieser Prozess kann helfen, eingefrorene oder überschießende Reaktionen im Nervensystem zu regulieren und die natürliche Flussfähigkeit von Lebensenergie wiederherzustellen.
Studien haben gezeigt, dass SE effektiv bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen traumabedingten Zuständen ist. Eine Untersuchung ergab, dass SE signifikant zur Reduktion von PTBS-Symptomen beitrug und die allgemeine Lebensqualität der Teilnehmenden verbesserte (Leitch, 2007). Weitere Forschungen deuten darauf hin, dass SE nicht nur bei der Linderung von Traumata hilfreich ist, sondern auch bei der Förderung allgemeiner emotionaler und körperlicher Gesundheit (Payne, Levine & Crane-Godreau, 2015).
SE kann in verschiedenen Kontexten angewendet werden, einschließlich Einzeltherapie, Gruppensitzungen und Krisenintervention. Durch seine flexible und integrative Natur lässt es sich gut mit anderen Therapieformen kombinieren und bietet somit ein umfassendes Werkzeug für Therapeutinnen, die mit traumatisierten Klientinnen arbeiten.
Quellen
- Leitch, M. L. (2007). Somatic experiencing treatment with social service workers following Hurricanes Katrina and Rita. Social Work, 52(1), 9-18.
- Payne, P., Levine, P. A., & Crane-Godreau, M. A. (2015). Somatic experiencing: Using interoception and proprioception as core elements of trauma therapy. Frontiers in Psychology, 6, 93.
Durch die Kombination von körperlichen und psychischen Ansätzen bietet Somatic Experiencing eine ganzheitliche Methode zur Traumabewältigung, die weit über traditionelle Therapieformen hinausgeht und einen integrativen Weg zur Heilung eröffnet.
Es gibt eine Vielzahl von Studien und wissenschaftlichen Arbeiten, die die Wirksamkeit der Körperpsychotherapie belegen. Hier sind einige wichtige Quellen und Links zu relevanten Studien:
- Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse zur Wirksamkeit der Körperpsychotherapie: Eine umfassende Analyse, die in „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass Körperpsychotherapie signifikante positive Effekte auf psychische Symptome und psychologischen Stress hat. Die Meta-Analyse untersuchte 18 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und fand mittlere Effektgrößen für die Hauptausgangsvariablen der Psychopathologie und des psychischen Leidens (Frontiers).
- European Association for Body Psychotherapy (EABP): Die EABP hat umfassende wissenschaftliche Validierungen und Forschungsergebnisse zur Körperpsychotherapie gesammelt. Die Organisation hat festgestellt, dass Körperpsychotherapie eine wissenschaftlich anerkannte und ausreichend begründete Form der Psychotherapie ist. Mehrere Modalitäten der Körperpsychotherapie haben unabhängig den Validierungsprozess der EAP (European Association of Psychotherapy) durchlaufen und bestehen somit den wissenschaftlichen Kriterien (EABP).
- International Body Psychotherapy Journal (IBPJ): Das IBPJ veröffentlicht regelmäßig wissenschaftliche Artikel, Forschungsergebnisse und theoretische Abhandlungen zur Körperpsychotherapie. Es ist eine kollaborative Publikation der EABP und der USABP (United States Association for Body Psychotherapy). Das Journal fördert den Austausch von Ideen und Forschungsergebnissen innerhalb der Körperpsychotherapie und angrenzender Disziplinen (IBPJ).
- Studien zu Bioenergetischer Analyse und anderen körperpsychotherapeutischen Methoden: In der Literatur werden auch spezifische körperpsychotherapeutische Methoden wie die Bioenergetische Analyse, entwickelt von Alexander Lowen, untersucht. Diese Studien zeigen ebenfalls positive Ergebnisse bei der Behandlung verschiedener psychischer Störungen, darunter schwere mentale Erkrankungen (USABP).
Diese Quellen belegen die wissenschaftliche Basis und die therapeutische Wirksamkeit der Körperpsychotherapie. Weitere detaillierte Informationen und spezifische Studien können über die angegebenen Links und Datenbanken abgerufen werden.